Seit dem 01.01.2015 gilt das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MiLoG). Der Mindestlohn startete mit 8,50 € brutto/Stunde und wurde schrittweise erhöht. Arbeitnehmer haben seit 01.01.2024 –abgesehen von einigen Ausnahmen und Übergangsregelungen- einen Anspruch auf 12,41 € brutto Mindestlohn pro Stunde.
In diesem Zusammenhang ergeben sich zahlreiche Fragen sowie Änderungsbedarf und ich möchte drei aus meiner Sicht für Arbeitgeber und Arbeitnehmer relevante Punkte herausgreifen:
Mindestlohn und Überstundenklausel
In vielen Arbeitsverträgen sind Klauseln zur (pauschalen) Überstundenabgeltung enthalten. Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits vor Längerem entschieden, dass die (vollständige) Pauschalabgeltung von Überstunden in Arbeitsverträgen unwirksam ist, sofern das Gehalt des Arbeitnehmers unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt (BAG, Urteil vom 01.09.2010 – 5 AZR 517/09, einschränkend aber Urteil vom 17.08.2011 – 5 AZR 406/10, auch Besserverdiener können ggf. Überstundenvergütung verlangen). Dementsprechend wurde dazu übergangen, in Arbeitsverträgen Höchstgrenzen von pauschal abgegoltenen Überstunden aufzunehmen, wobei –je nach Gehalt- eine maximale Überstundenabgeltung von 25% der regulären Arbeitszeit noch als zulässig erachtet wird. Unabhängig von der generellen Zulässigkeit solcher Klauseln kommt nun durch den Mindestlohn eine weitere Herausforderung hinzu: Sofern Arbeitnehmer nur den Mindestlohn verdienen oder knapp oberhalb der Mindestlohngrenze liegen, kann nun auch eine (bisher) wirksame Abgeltungsklausel unwirksam sein, da –im Falle von pauschal abgegoltenen Überstunden- der Mindestlohn unterschritten würde (siehe auch §2 Abs. 2 MiLoG). Arbeitgebern und Arbeitnehmern empfehle ich daher in diesen Grenzfällen genau nachzurechnen, ob eine prozentuale Überstundenabgeltung ggf. zur Unterschreitung des Mindestlohns führen würde. Arbeitgeberseitig können daher auch Anpassungen der Überstundenklausel in den Arbeitsverträgen notwendig werden.
Mindestlohn und Ausschlussfristen
Viele Arbeitsverträge enthalten standardmäßig auch Ausschlussfristen, innerhalb derer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden müssen oder ansonsten verfallen. Diese sind auch wirksam, sofern sie den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen (BAG, Urteil vom 28.09.2005 – 5 AZR 52/05).
§ 3 des MiLoG sieht nun jedoch vor, dass der Mindestlohn nicht eingeschränkt oder verwirkt werden darf (einzige Ausnahme gerichtlicher Vergleich). Das kann zur Folge haben, dass Klauseln mit pauschalen Ausschlussfristen (auch bei Mitarbeitern, die mehr als den Mindestlohn verdienen) insgesamt unwirksam werden, da eine Ausschlussfrist zumindest die Anspruchsdurchsetzung einschränkt. Das Bundesarbeitsgericht hat zwischenzeitlich entschieden, dass eine Ausschlussklausel, die Mindestlohnansprüche nicht ausnimmt, insgesamt unwirksam ist (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2016, Az. 5 AZR 703/15). Wer als Arbeitgeber auf der sicheren Seite stehen möchte, muss also seine Ausschlussklausel dahingehend anpassen, dass diese nicht die Gehaltsansprüche in Höhe des Mindestlohns erfasst und hierfür die gesetzlichen Vorschriften gelten. Nur darüber hinausgehende Gehaltsansprüche können weiterhin unproblematisch Ausschlussfristen unterworfen werden.
Geringfügige Beschäftigung
Eine direkte Wechselwirkung des Mindestlohns besteht zu den Arbeitszeiten der geringfügig Beschäftigten, da diese seit 01.01.2024 regelmäßig nicht mehr als 538,- €/Monat verdienen dürfen. Bei dem aktuellen Mindestlohn von 12,41 € errechnen sich so maximal 43,35 Stunden Arbeitszeit/Monat. Steigt der Mindestlohn (wie in den vergangenen Jahren der Fall) verringert sich die rechnerisch mögliche monatliche Arbeitszeit pro Monat. Arbeitgeber müssen hier ggf. Vertragsanpassungen vornehmen, solange nicht die Geringfügikeitsgrenze vom Gesetzgeber entsprechend angepasst wird. Dies geschieht in der Regel nicht synchron.
Mindestlohn im Praktikum
Der Mindestlohn bedeutete ein weitgehendes Ende der „Generation Praktikum“. Wurden Praktikanten in der Vergangenheit gerne für „kleines Geld“ und weit unterhalb des Mindestlohns für in der Regel 6 Monate oder auch länger und als günstige Arbeitskräfte eingesetzt, ist das nun nur noch sehr eingeschränkt möglich.
§ 22 Abs. 1 des MiLoG trifft zum Praktikum Regelungen und schränkt die Fälle, in denen kein Mindestlohn zu zahlen ist, erheblich ein. Die Regelung ist aus meiner Sicht insofern misslungen, als dass sie nicht klar in ihren Aussagen ist und damit für Arbeitgeber einige Rechtsunsicherheit birgt. Eine einfache Überprüfungsmöglichkeit, ob für ein Praktium Mindestlohn zu zahlen ist oder nicht, finden Sie hier:
https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/Mindestlohn/mindestlohn-praktikum.html
Zusammenfassend würde ich Arbeitgebern empfehlen, bevorzugt Pflichtpraktika und freiwillige Praktika von maximal drei Monaten nur zur Orientierung der Berufswahl (d.h. vor Ausbildung oder Studium) anzubieten, sofern sie nicht beabsichtigen, den Mindestlohn zu zahlen. Praktikanten, die unter das MiLoG fallen, könnten ihrerseits den Mindestlohn einfordern.
Bei Fragen zum Thema Mindestlohn sprechen Sie mich gerne an.