LL360 Urlaubs-FAQ

1. Wie viele Tage Urlaub stehen Arbeitnehmern zu?

Mindestens 20 Tage pro Kalenderjahr nach § 3 Abs. 1 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz, bezogen auf eine 5-Tage-Woche; entspricht 24 Tagen Urlaub bei einer 6-Tage-Woche). Sonderregelungen bestehen für Jugendliche (§ 19 Abs. 2 JArbSchG) und Schwerbehinderte (§ 125 Abs. 1 SGB IX). Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge sehen meistens mehr Urlaubstage als den Mindestanspruch vor, so dass der tatsächliche Durchschnitt in Deutschland aktuell bei 29 Tagen pro Jahr liegt. Für Mitarbeiter in Teilzeit ergibt sich ein anteiliger Anspruch, wobei die Anzahl der Arbeitstage (nicht der Stunden) je Woche maßgeblich ist (z.B. 4-Tage-Woche = 16 Tage Urlaub).

2. Wie hoch ist der Urlaubsanspruch bei unterjährigem Eintritt/Austritt?

Vor den ersten Urlaub hat der Gesetzgeber die sechsmonatige Wartezeit gesetzt, § 4 BUrlG. Wer die erfüllt und auch in der 2. Jahreshälfte noch angestellt ist, hat Anspruch auf den vollen (gesetzlichen) Jahresurlaub (siehe 1., auch bei unterjährigem Eintritt nach dem 01.01.). Umgekehrt hat der, der die Wartezeit nicht mehr im Kalenderjahr erfüllt oder vor Erfüllung wieder ausscheidet oder nach erfüllter Wartezeit in der ersten Jahreshälfte ausscheidet, einen anteiligen Urlaubsanspruch i.H.v. 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses (§ 5 Abs. 1 BurlG). Eine generelle Zwölftelung des Urlaubsanspruchs pro geleistetem Monat durch Tarif- oder Arbeitsverträge ist nur soweit möglich, als dass sie sich auf den über den gesetzlichen Mindestanspruch hinausgehenden Urlaub beziehen.

3. Wer hat bei Anträgen im gleichen Zeitraum Vorrang?

In diesen Fällen wird nach sozialen Gesichtspunkten vom Arbeitgeber eine Auswahl getroffen, wer Urlaub nehmen kann und wer nicht bzw. auf andere Termine ausweichen muss. Ein häufiger Knackpunkt ist, dass zu den beliebten Ferienzeiten im Sommer, an Brückentagen oder um Weihnachten oft mehr Arbeitnehmer Urlaub machen möchten als es die Geschäftslage erlaubt. Wer schulpflichtige Kinder hat, mit seinem Partner auf eine bestimmte Zeit angewiesen ist oder Urlaub im Anschluss an eine medizinische Maßnahme plant hat i.d.R. die höhere Priorität. Zusätzlich muss aber auch immer betrachtet werden, wie Urlaubswünsche in der Vergangenheit berücksichtigt wurden, so dass auch einmal der kinderlose Single zum Wunschtermin kommen kann, wenn er oder sie wiederholt „zurückstecken“ musste. Eine frühzeitige Kommunikation und Planung im jeweiligen Bereich ist hier hilfreich.

4. Darf Urlaub ohne Genehmigung angetreten werden?

Nein. Selbst wenn die Ablehnung durch den Arbeitgeber unberechtigt sein sollte, dürfen Arbeitnehmer in keinem Fall eigenmächtig den Urlaub antreten, frei nach dem Motto „Ich bin dann mal weg, ich hab recht!“. Hier drohen disziplinarische Maßnahmen bis hin zur Kündigung. Hält ein Arbeitnehmer die Ablehnung für unberechtigt und lässt sich partout keine Einigung erzielen, muss die Zustimmung vor Urlaubsantritt durch das Arbeitsgericht ersetzt werden. In eiligen Fällen geschieht dies per einstweiliger Verfügung.

5. Im Urlaub gestrandet, was tun?

Mit zunehmender Beliebtheit von Fernreisen ist auch das Risiko einer nicht rechtzeitigen Rückkehr aus dem Urlaub, z.B. durch Naturereignisse, Streiks etc. gestiegen. Zunächst sollten Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber sofort darüber informieren, dass sie nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkehren werden. Gleichzeitig müssen alle nötigen und zumutbaren Anstrengungen unternommen werden, um schnellstmöglich wieder die Arbeit aufzunehmen, ggf. auch teurere Umbuchungen oder das Ausweichen auf andere Verkehrsmittel. Eine Abmahnung oder verhaltensbedingte Kündigung ist in dieser Konstellation nur bei Verschulden des Arbeitnehmers möglich. Ein Anspruch auf Arbeitslohn für die ungeplante Fehlzeit würde nach § 616 BGB nur bestehen, sofern keine spezielleren gesetzlichen Regelungen greifen, die Abwesenheit auf einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund zurückzuführen ist (z.B. zwingende Betreuung naher Angehöriger, unberechtigte Festnahme) und dies auch nicht vertraglich ausgeschlossen ist. Am praktikabelsten kann in diesen Fällen eine einvernehmliche Verlängerung des Urlaubs sein. Eine einseitige Verlängerung durch den Arbeitnehmer ist nicht möglich.

6. Zählen Urlaubstage auch bei Krankheit?

Nein, denn wer krank ist, erholt sich nicht (§ 9 BUrlG). Der Arbeitgeber ist allerdings nur dann verpflichtet, Urlaubstage wieder gutzuschreiben, wenn ein ärztlicher Nachweis über die Krankheit und den gesamten Zeitraum (unabhängig davon, ob schon die allgemeine Attestpflicht greift) eingereicht wird. Arbeitnehmer sollten daher im Urlaub direkt am ersten Krankheitstag zum Arzt zu gehen, auch im Ausland (Reisekrankenversicherung nicht vergessen). Arbeitnehmer sind zudem nach § 5 Abs. 2 EntGFzG verpflichtet, schnellstmöglich ihren Arbeitgeber und ihre Krankenkasse über die Erkrankung zu informieren, wenn sie sich im Ausland aufhalten.

7. Müssen Arbeitnehmer im Urlaub erreichbar sein?

Nein, wer Urlaub hat, hat frei und muss auch nicht kurz mal ans Telefon gehen oder Emails checken. Die Praxis sieht dank moderner Technik und je nach Position und Erwartungshaltung im Unternehmen teilweise anders aus. Empfehlenswert ist jedoch auch aus meiner Erfahrung ein bewusstes „Abschalten“ von allen Seiten, da in der Regel bei einer vernünftigen Urlaubsplanung, -übergabe und -kommunikation schon kaum Bedarf besteht, den Urlauber überhaupt anzusprechen. Der Erholungseffekt ist dadurch auch deutlich höher und danach kann´s dann wieder richtig rund gehen. 

8. Verfällt nicht genommener Urlaub?

Grundsätzlich ja, der Urlaub verfällt zum 31.12. des Kalenderjahres, in dem er erworben wurde. Eine Übertragung ins Folgejahr findet nach § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG nur statt, sofern dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Wenn der Urlaub also z.B. wegen Krankheit oder starker Arbeitsbelastung nicht im jeweiligen Jahr genommen werden konnte, wird er ins Folgejahr übertragen und kann noch bis zum 31.03. genommen werden. In Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen können abweichende Regelungen getroffen werden. Eine Ausnahme besteht zudem bei Langzeitkranken: hier verfällt der (gesetzliche) Resturlaub erst nach 15 Monaten zum 31.03. des übernächsten Jahres (BAG, Urteil vom 07.08.2012, 9 AZR 353/10). Rein praktisch empfehle ich Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch bewusst auf den Abbau des Urlaubs im laufenden Jahr zu achten. Falls Resturlaub anfällt, empfiehlt sich auch hier, eine frühzeitige Planung und Kommunikation des Abbaus, um ein weiteres „Anhäufen“ von Urlaub zu vermeiden. Ganz nebenbei dient er ja auch der Erholung.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zudem mit Urteil vom 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15 festgestellt, dass ein Verfall von Urlaubsansprüchen nach den o.g. Grundsätzen erfordert, dass der Arbeitgeber seine Mitarbeiter klar und rechtzeitig auffordert, vorhandenen Resturlaub auch zu nehmen. Es setzt damit die Vorgaben des EUGH aus der Vorabentscheidung C-684/16 um. Arbeitgeber können auch nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG Urlaub unter Berücksichtigung der Mitarbeiterinteressen anordnen, müssen aber jedenfalls darauf hinweisen, dass anderenfalls der Resturlaub in entsprechender Höhe verfällt. Für die Praxis bedeuted das, dass Arbeitgeber (wenigstens) dokumentiert darauf hinweisen sollten, wann welcher Resturlaub verfällt (sofern sie nicht von ihrem Anordnungsrecht Gebrauch machen). Das BAG ließ in seiner Entscheidung offen, was „rechtzeitig“ bedeutet. Arbeitgeber sollten auf der sicheren Seite sein, wenn die Vorlaufszeit jedenfalls so ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer auch noch genügend Zeit hat, um seinen noch vorhandenen Urlaub vor dem jeweiligen Stichtag vollständig abzubauen. Unterlässt ein Arbeitgeber einen solchen Hinweis, verfällt vorhandener Urlaub nun nicht mehr automatisch.

9. Wann wird Urlaub ausgezahlt?

Nur ausnahmsweise: Das BUrlG sieht eine Urlaubsabgeltung nur dann vor, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr genommen werden kann. Es besteht also kein Wahlrecht, wenn tatsächlich noch genug Zeit und Gelegenheit ist, den Urlaub zu nehmen. Dies gilt auch dann, wenn die sechsmonatige Wartezeit noch nicht erfüllt ist. Es sollten dabei vom Arbeitnehmer auch die Auswirkungen auf den (neuen) Urlaubsanspruch bei einem Arbeitgeberwechsel und auf das Ruhen des Arbeitslosengeldes bei Urlaubsabgeltung mit anschließender Arbeitslosigkeit bedacht werden. Je nach Planung des Arbeitnehmers kann daher die tatsächliche Inanspruchnahme der noch vorhandenen Urlaubstage vorteilhafter als eine Auszahlung sein.

Das BAG hat nun nach Klärung der Frage durch den EUGH entschieden, dass im Todesfall die Erben des Arbeitnehmers die Urlaubsabgeltung für noch nicht genommenen Urlaub verlangen können (9 AZR 45/16). Dies bezieht sich jedenfalls auf den gesetzlichen Mindesturlaub (20 Werktage bei einer 5-Tage-Woche) und hängt hinsichtlich des übergesetzlichen Anspruchs von tariflichen oder arbeitsvertraglichen Regelungen ab.

10. Wann ist der Betriebsrat zu beteiligen?

Sofern ein Betriebsrat besteht, hat dieser nach § 87 Abs. 1 Nr.5 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze (z.B. bei Einführung eines bestimmten Verfahrens zur Urlaubsbeantragung und –gewährung), von Urlaubsplänen (z.B. jährliche Urlaubsplanung, Betriebsferien) sowie bei der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einigung erzielt wird. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich nicht nur auf den Erholungsurlaub, sondern auch auf Sonder- und Bildungsurlaub. Arbeitnehmer können sich bei Unstimmigkeiten zu Urlaubsanträgen an den Betriebsrat wenden, müssen es aber nicht. Das Mitbestimmungsrecht bindet lediglich den Arbeitgeber, der vor Umsetzung der genannten Maßnahmen die Zustimmung des Betriebsrates einholen muss.

Für weitergehende Antworten rund um das Thema Urlaubsanspruch stehe ich Ihnen gerne persönlich zur Verfügung und wünsche eine schöne Urlaubssaison!

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